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Interjektionen

 

Wie das vorangehende Kapitel zeigt, ist die Wortartbestimmung im Partikelbereich nicht unproblematisch,. Als Interjektionen bezeichnet man Wörter, die i.d.R. in der gesprochenen Sprache auftauchen, bestimmte Schallgebilde imitieren und keine eigentliche begriffliche Bedeutung haben. Eventuelle (literarische) Verschriftlichungengif erfolgen uneinheitlich, individuelle Neubildungen sind jederzeit möglich. Die `Individualität' der Bildung wird durch die Auffassung relativiert, daß Interjektionen in allen Sprachen nach denselben Prinzipien gebildet werdengif. Ein solcher ``tendenzielle[r] Universalismus'', der hier nicht erörtert werden kann, würde die Tatsache erklären, daß Interjektionen aus teilweise im Deutschen unüblichen Lautverbindungen bestehen. Weil Interjektionen im allgemeinen syntaktisch isoliert sind, klassifiziert sie Engel als `Satzäquivalentegif'. Ihre Funktion ist in erster Linie der ``Ausdruck körperlicher und seelischer Empfindungengif''. Unter den Interjektionen, die das Korpus enthält, sind viele Neubildungen, die nicht in den Interjektionenlisten der Grammatiken enthalten sind: achja (a109), aeh (a119), aehh (a052), aehm (a002), aha (a045), jep (a177), joops (a077), phew (a019), tjo (a158), yuk (a103), yup (a184)gif. Auffällig ist schon die Tatsache des Erscheinens der Interjektionen im Korpus überhaupt, nehmen sie ihre Funktionen doch hauptsächlich über (diskrete) Intonationsmuster wahr und sind deshalb außerhalb der medialen Mündlichkeit kaum zu finden. Intonationsmuster werden in der CVK nicht substituiert, dennoch tauchen hier Interjektionen auf. Inwieweit sie ihre Funktionen aus der medialen Mündlichkeit beibehalten, soll am Beispiel hm betrachtet werden. Hm kommt im Korpus in unterschiedlichen graphischen Varianten 13mal vor und ist so die mit Abstand frequenteste Interjektiongif. In 12 Fällen erscheint hm in dialogischen Texten, nur einmal in einem monologischen. Ein Beispiel:

VK>  Fuer  Beamte in der Behoerde hat das  den  Nachteil, dass  sie moeglicherweise
VK> vor die Wahl gestellt werden Umsetzung  in einen anderen Teil der
VK>  Behoerde  oder Umwandlung  des  "Beschaeftigungsverhaeltnisses   in   das
VK>  eines Angestellten".
"Umwandlung des Beschaeftigungsverhaeltnisses in das eines Angestellten"-
- hmm, das kann man so nicht stehen lassen, sorry. ;-)

Das Beispiel (a157) ist eine Reaktion auf einen Artikel von VK in einem juristisch ausgerichteten Diskussionsforum (fido.ger.recht). Der Produzent von a157 quotet vier Zeilen des Artikels von VK, zitiert die für ihn wichtige Substantivgruppe noch einmal als wörtliche Rede und erklärt dann seine Unzufriedenheit mit der Aussage von VK. Diesen sechs Zeilen folgen im Artikel noch 53 Zeilen einer juristischen Erklärung dafür, daß sich ein Beamtenverhältnis nicht ohne weiteres in ein Angestelltenverhältnis umwandeln läßt. Die Analyse von hmm in Z. 6 wird durch verschiedene Faktoren erschwert. Zum ersten läßt die Schreibweise - eine graphische Variante von hm mit Verdopplung des Nasals - keine phonetische Interpretation und damit keine Funktionszuweisung auf diesem Wege zugif. Zum zweiten beschränkt sich ein Teil der Forschunggif auf hm als Hörersignal, als welches es in den Diskussionsforen a priori nicht vorkommen kanngif. Zum dritten ist der gesamte Forschungsbereich noch nicht so gefestigt, daß abschließende empirische Befunde über die angenommene Diskretheit der Intonationsmuster von hm vorliegen, die von einem Tonsystem in einem Teil der deutschen Standardsprache zu sprechen erlaubtengif. Unter Berücksichtigung all dieser Einschränkungen kann die Funktion der Varianten von hm im Korpus nur aus dem Kontext und damit nicht eindeutig bestimmt werden; anschließend kann überprüft werden, ob bestimmten Funktionsmerkmalen bestimmte Schreibweisen korrespondieren. Die Schreibweisen unterscheiden sich nur in der jeweiligen Anzahl des Nasals m. Es gibt keine Unterscheidung zwischen `einfacher' und `reduplizierter' Form von hmgif.

Hmm im Beispiel a157 ist reaktiv und zeigt eine `Divergenzgif' zwischen dem Textproduzenten und VK an. Anzeiger für Divergenz sind auch hmm und Hmm in a005. Der Kontext erlaubt die Zuordnung der hmm zu Ehlichs Grundform III: `Äußerung beginnender Divergenz durch den Hörer, wobei der Sprecher seine Sprachhandlung zunächst fortsetzen kanngif'. Die anderen Varianten von hm im Korpus signalisieren Nachdenklichkeit: Hmmm in a019, Hmmm in a044, Hm (2mal) in a053, Hmmmm in a056, Hm, `positiver Masochismus' in a088 und Hm in a150. Einen Sonderfall stellt Hmmm in a167 dar, wo zwar Nachdenklichkeit in bezug auf die Vorgängeräußerung ausgedrückt, dann aber explizit überhaupt nicht auf sie eingegangen wird. Initiativ ist Hm, und was? in a088, wo in einer (fiktiven) Dialogsequenz der Gesprächspartner zum Weiterreden aufgefordert wirdgif. Hmmm in a131 ist der einzige Fall, in dem eine Form von hm in einem monologischen Text steht. Hier signalisiert der Produzent Divergenz zu einer eigenen, früheren Äußerung.

Die Funktionsüberprüfung zeigt, daß die Zahl der Nasale des hm keine Rückschlüsse auf die Funktion zuläßt. Hmmmm in a056 als Zeichen einer `langen Denkpause' korrespondiert zwar mit dem in der Diskussion ausführlich vorgetragenen Dissens - im Gegensatz zum knappen Hm in a053, in dem kein Dissens `verarbeitet' werden muß. Aber eine funktionale Differenzierung läßt sich nicht vornehmen.

Als Ergebnis der Betrachtung von hm ist festzustellen, daß Interjektionen in der CVK vorhanden sind, und zwar fast ausschließlich in dialogischen Texten. Damit ist auch am zweiten exemplarischen Phänomen, einem Phänomen aus Lenk- und Malfeld, die Wirkung konzeptioneller Mündlichkeit in der Schriftlichkeit der CVK nachgewiesen. Allerdings ist die Breite der Funktionsmöglichkeiten von Interjektionen durch die mediale Schriftlichkeit erheblich beschnitten.


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rabas000@goofy.zdv.uni-mainz.de